Es gibt ja viele Ansichten und Philosophien über Pferdetraining, -umgang und -ausbildung. Die Einen sagen, ganz ohne Druck, die Anderen finden ein bisschen Druck in Ordnung, wieder andere sind der Meinung, dass ohne Druck gar nichts geht.
Für mich kommt es in erster Linie darauf an, was der Einzelne unter dem Wort Druck versteht. Und ob man das Wort Druck unbedingt mit etwas Negativem assoziieren muss.
Manche setzen die Bedeutung von Druck mit Unterdrücken gleich und schon ist es negativ besetzt. Wieder Andere meinen, dass Druck auch etwas mit Gewalt zu tun und schon deshalb nichts in der Pferd-Mensch-Kommunikation zu suchen hat.
Für manche beginnt Druck dort, wo jemand nur die Hand ans Pferd anlegt, um es zum Beispiel am Putzplatz zur Seite zu schieben. Dies wäre dann wohl im Vergleich zu den bereits genannten Beispielen die sanftere Alternative. Obgleich es auch hier Druck ist, der die Lösung hervorruft.
Ich persönlich glaube, das Druck noch früher beginnt. Nämlich in dem Moment, in dem ich meine Energie und meine Körpersprache einsetze, um das Pferd aus meinem persönlichen Bereich hinaus zu schicken. (In meinem Buch : Der Weg zur Verbundenheit“ beschreibe ich dies mit den Bildern der Wolke und des Einkaufswagens.) Ja, genau dort setze ich bereits Druck ein, damit das Pferd von mir weicht. Des Weiteren spricht man auch vom visuellem Druck: Kommt jemand mit geschwellter Brust und starrem Blick auf einen zu, wird man nicht erst eine Kollision abwarten, sondern bereits vorher ausweichen. Eine Reaktion, die nur auf diesem visuellen Druck beruht.
Um eine realistische Basis für eine Diskussion, ob nun Druck in der Pferdearbeit angebracht ist oder nicht, zu finden, müsste demnach vorab geklärt werden, was Druck ist und um welche Form des Drucks es denn genau geht.
Folgende Einteilung des Begriffes Druck erscheint mir im Zusammenhang mit den Pferden angebracht:
Innerer Druck: entsteht durch meine innere Einstellung: Ich stelle mir vor, dass das Pferd vor mir weicht oder sich zur Seite dreht oder sich vorwärts bewegt. Das innere Bild sozusagen.
Visueller Druck: Ich übertrage das innere Bild, die Vorstellung, bewusst in meine Körperhaltung: Richte mich auf, gehe zielstrebig auf das Pferd zu und visualisiere einen Punkt direkt hinter dem Pferd, auf den ich mich zu bewegen will.
Druck durch direkte Berührung: ich berühre das Pferd vorsichtig und sanft, um ihm zu zeigen, was ich von ihm erwarte. Dabei kann man unterscheiden zwischen einem Druck, der eine Reaktion hervorrufen soll wie ein Zur-Seite-Treten und einer Berührung, die ein Lob sein kann und letztlich ja auch eine Art von Druck ist, wenn ich die Hand ruhig ans Pferd lege – in diesem Fall jedoch erwarte ich keine Reaktion – und der Unterschied zwischen diesen zwei sehr ähnlichen Berührungen kann letztlich nur in der inneren Einstellung liegen.
Druck im Sinne von „unterdrücken“: Hier wird Druck angewandt, der dem Pferd signalisiert – es wird nicht mehr höflich aufgefordert etwas zu tun, sondern soll sich jetzt bewegen. Überquere ich zum Beispiel eine Straße und es kommt unerwartet ein schnelles Auto, so werde ich als Reiter unter Umständen sehr energisch, um das Pferd zu einem raschen Schritt oder gar Sprung zu veranlassen, um aus der Gefahrensituation zu kommen. Aber es gibt natürlich auch Situationen, in denen der Druck im Sinne von „Unterdrücken“ auch in Trainingssituationen eingesetzt wird, in denen keine Lebensgefahr besteht. Diese Trainingsmethode wird leider sehr oft angewendet. Es geht dabei vorranging darum, schnell ein „funktionierendes“ Pferd zu bekommen. Die Psyche des Pferdes wird dabei vollkommen vernachlässigt.
Druck im Sinne von Gewalt: diese Art von Druck fällt in den Bereich der Tierquälerei, wenn ich dem Pferd durch Druck Schmerzen zufüge, um es in eine bestimmte Haltungsform oder zu einer Bewegung zu zwingen, die es aufgrund verschiedenster Ursachen nicht leisten kann oder die Anforderung nicht versteht. Ist abzulehnen – darüber dürfte Einigkeit bestehen.
Druck ist für das Pferd etwas ganz Natürliches: Wie wirkt Druck im Herdenverband?
Ich empfinde es nicht als verwerflich, im Zusammensein mit dem Pferd auch über Druck zu arbeiten. Ganz im Gegenteil: Druck ist die Art der Kommunikation, die das Pferd von der ersten Stunde seines Lebens an kennt.
Von der Stute lernt das Fohlen sehr früh, auf Druck zu reagieren. Es lernt über Druck, wo es stehen darf und wo besser nicht. Sobald es etwas größer ist und beginnt, mit anderen Pferden in Kontakt zu treten, lernt es den Druck als eine sehr klare und reine Form der Kommunikation kennen.
Und dies begleitet das Pferd sein Leben lang. Ranghohe Tiere bauen erst visuell, dann aber auch körperlich Druck auf, um sich Platz zu verschaffen. Jungpferde messen ihre Kräfte auch mit Hilfe von Druck. Druck ist in der Herdensprache ein unglaublich wichtiges Element. Warum ist dieser Begriff „Druck“ dann in manchen Reiterkreisen so verpönt?
Druck für Pferde in der Menschenwelt
Auch ganz ohne unmittelbare Kommunikation mit dem Pferd entsteht in dem durch den Menschen geprägten Lebensumfeld der Pferde oftmals Druck. Unsere Pferde beispielsweise leben im Herdenverband in einem Bewegungsstall der Firma Schauer. Wann immer ein neues Pferd zur Familie dazu kommt, muss dieses erst einmal viel lernen. Neben der eigentlichen Integration mit den anderen Herdenmitgliedern, die wir sehr sanft und schonend durchführen, gilt es eben auch, das System der Futteranlage zu verstehen und anwenden zu können. Ein großer und auch für manche Pferde schwieriger Teil besteht darin zu lernen, die Ausgangstüre mit der Brust aufzudrücken. Pferde lernen in der Regel ja, auf Druck zu weichen – nun müssen sie ganz entgegen diesem Druck-Weichen-Prinzip lernen, den Druck so lange selbst auszuüben, bis die Tür nachgibt und sie hindurchgehen können. Den meisten Pferden gelingt dies nach wenigen Tagen. Dies ist nur ein Beispiel, wo Pferde durchaus mit dem Thema Druck konfrontiert werden.
Auch an anderer Stelle wirkt Druck: Macht man sich einmal die Arbeit eines Fahr- oder Zugpferdes bewusst, wird deutlich: von außen mag es so wirken, dass die Pferde die Kutsche oder das Holz ziehen. Aber ist es nicht eher so, dass sie sich gegen das Kummet oder das Brustblatt lehnen und dieses vor sich her „drücken“?
Hier haben wir also schon zwei Situationen in der Pferdewelt, in denen Pferde lernen, dem Druck zu widerstehen oder gegen Druck zu arbeiten. Wobei man ja in den meisten Fällen möchte, dass Pferde vor einem Druck weichen, sofern man bereit ist, diesen Druck tatsächlich aufzubauen.
Wen es interessiert, der kann hier demnächst gerne mehr zum Thema Druck in der Pferdearbeit lesen.
Mehr Infos unter www.imsinnedespferdes.com
Autor: Simone Carlson