Druck als Kommunikationsmittel für Pferde untereinander und seine Übersetzung für den Menschen
Druck ist eine Form von Energie. Um besser zu verstehen, warum die Arbeit mit Druck wichtig und durchaus natürlich ist, muss man wissen, dass Pferde untereinander auf eine Art kommunizieren, die auf negative Verstärkung ausgelegt ist. Eine Belohnung für richtiges Verhalten erfolgt maximal in Form des Ausbleibens von weiterem Druck. Möchte man also mit einem Pferd in seiner „Sprache“ kommunizieren, ist die Anwendung von Druck – von Energie – unerlässlich.
Wer meinen letzten Beitrag „Die Sache mit dem Druck“ gelesen hat, dem dürfte daher auch klar sein, dass ich ein Befürworter der Arbeit mit Druck bin. Ich sehe ihn als eine Energie, die langsam aufgebaut stetig stärker und größer wird. Dabei sollte der goldene Leitsatz: So wenig wie möglich, so viel wie nötig, immer berücksichtigt werden.
Für mich ist die Arbeit mit Druck, korrekt angewandt, eine für das Pferd sehr klare, prägnante und sehr verständliche Kommunikation. Aber eben nur dann, wenn sie richtig angewandt wird!
Aussagen wie: „Der/die arbeitet mit Druck!“ sind ja nur deshalb so in Verruf geraten und negativ behaftet, weil man hierbei vieles falsch machen kann – was leider auch sehr oft geschieht. Der entscheidende Punkt ist, dass Druck natürlich nicht das einzige Element in der Pferdeausbildung ist und sein darf, sondern nur eines von vielen. Um Druck korrekt einzusetzen, bedarf es immer mehrerer Komponenten.
Im vorliegenden Artikel soll es nur um die sinnvolle Anwendung von Druck als Mittel einer „artgerechten“ Kommunikation mit dem Pferd gehen. Dabei gehe ich von einem Konsens darüber aus, dass Pferde, und damit auch wir, in diesem Fall durch negative Verstärkung kommunizieren. Auf das Thema positive Verstärkung und negative Verstärkung gehe ich in einem anderen Artikel noch näher ein.
Druck und das richtige Timing
Eine große Fehlerquelle bei der Arbeit mit Druck ist zum Beispiel das Timing. Ohne das richtige Timing ist Druck fatal! Um Druck richtig einzusetzen, muss ich als Pferdemensch genau wissen, wann er angebracht ist und wann besser nicht. Genauso bedeutend ist es zu wissen, wann ich den Druck wieder wegnehmen muss. Buck Brannaman sagte einmal: „Es ist weniger wichtig wie gut man ist im Anwenden des Drucks, viel wichtiger ist es zu wissen, wann man ihn wieder zurücknimmt!“. Also auch beim Abnehmen des Drucks spielt das Timing eine sehr bedeutende Rolle.
Ein Beispiel: Beim Verladetraining ist es bei manchen Pferden hilfreich mit dem Fähnchen hinter ihnen etwas zu wedeln, um das stillstehen unangenehm zu machen.
Sobald sich das Pferd nach vorne in Richtung Pferdeanhänger bewegt muss man mit dem Wedeln aufhören. Auf diese Weise lernt das Pferd, dass nach vorne laufen angenehmer ist als stehen zu bleiben.
Bewegt sich das Pferd nun also nach vorne und das Wedeln des Fähnchens hört nicht sofort auf, so lernt das Pferd, dass es nichts bringt sich in Richtung Anhänger zu bewegen, weil das unangenehme Fähnchen trotzdem weiter wedelt.
Druck ja – aber wie viel ist richtig?
Von dem Leitsatz auszugehen „So wenig wie möglich und so viel wie nötig!“, ist schon mal eine wichtige Basis, aber wie viel ist denn nun so viel wie nötig? Das dies je nach Situation variiert, dürfte jedem klar sein. In dem Zusammenhang ist besonders wichtig, dass Druck nicht dazu dient, eine Handlung unmittelbar hervorzurufen, sondern nur, um die Gedanken des Pferdes zu erreichen. Habe ich den Gedanken und damit die Aufmerksamkeit des Pferdes, kann ich meinen Druck bereits wieder reduzieren, um dem Pferd zu signalisieren, dass ich spüre, dass es sich mir nun zuwendet und gebe damit ein positives Feedback. Dies ist für mich eine feine und pferdegerechte Art, durch Druck zu kommunizieren. Steigere ich jedoch meinen Druck weiter bis zur gewünschten Handlung, werde ich manipulierend und nehme dem Pferd den Freiraum mitzudenken, und für sich passende Lösungen zu suchen. Dies ist aber meiner Ansicht nach sehr wichtig in der Pferd-Mensch-Partnerschaft. Steigere ich den Druck mehr als es vonnöten wäre, um die Gedanken des Pferdes zu erreichen, fühlt sich dieses (zu Recht) falsch behandelt. Es ist in der Natur des Pferdes nicht vorgesehen, mehr Druck einzusetzen als gebraucht wird. In unsere menschliche Welt übersetzt, könnte man vielleicht sagen, dass es so ist, als ob ich einem Mitarbeiter meiner Firma eine schriftliche Abmahnung erteile, obwohl es ein netter Hinweis auch getan hätte. Das sorgt für Unverständnis und schlechte Stimmung.
Druck braucht eine Message!
Druck, also – Energie –, darf nur in Verbindung mit einer Nachricht für das Pferd angewandt werden. Nur wenn ich im Dialog mit dem Pferd bin, wenn ich ihm etwas mitteilen möchte, nur dann darf ich diese Nachricht durch Druck verstärken, um für mein Pferd klarer zu werden. Ist in meiner Handlung keine Message, kann das Pferd keinesfalls verstehen, was ich von ihm erwarte. Das Pferd ist verwirrt und handelt dann aufgrund von Unwohlsein, aber nicht, weil es verstanden hat, was es tun soll. Diese Form des Drucks ist Misshandlung auf psychischer Ebene. Dies möchte ich an einem Beispiel erklären:
In einem meiner Lehrvideos erkläre ich die Übungseinheit Gedanken schicken. Hierzu bewege ich das Seil vor dem Pferd stehend in eine Richtung und lade das Pferd ein, diesem Gefühl im Seil mit dem Kopf und somit seinen Gedanken zu folgen. Tut es das nicht, weil es in Gedanken irgendwo anders festhängt, verstärke ich das Schwingen des Seils, damit dies zu einem primären Gedanken des Pferdes wird. Meine Nachricht in diesem Seilschwingen muss sehr klar sein, der Druck/Zug (in diesem Fall fühlt es sich eher an wie ziehen) muss klar in die Richtung gehen, die ich anstrebe, damit das Pferd dies erkennen kann. Würde ich mein Seil einfach unkontrolliert hin und her schleudern, nur um es in Bewegung zu halten, dann könnte beim Pferd auch keine klare Nachricht ankommen. Dies sorgt nur für Verwirrung.
Fehler beim Umgang mit Druck
Wie man unschwer erkennen kann, gibt es genügend Möglichkeiten, Fehler bei der Anwendung von Druck zu machen.
Druck inkorrekt angewandt wirkt verstörend auf das Pferd und wird eine freudige Mitarbeit verhindern, aber Druck an sich eben nicht! Druck/Energie im richtigen Maß angewandt, ist lediglich eine für Pferde artgerechte Form der Kommunikation. Es ist die Sprache, die Pferde verstehen.
Wir Menschen hingegen ticken völlig anders! Wir lernen und handeln (erfolgreicher) vor allem durch positive Verstärkung, Pferde durch negative Verstärkung. Es liegt an uns, dem Pferd unsere Denkweise nicht aufzudrängen sondern in die Denkweise des Pferdes einzutauchen und das Wesen der Tiere besser zu verstehen!
Wenn sich nun also der Mensch eine eher befremdliche Form der Kommunikation wie die der negativen Verstärkung aneignen möchte, um auf Augenhöhe mit dem Pferd zu kommunizieren, dann muss er dies unter Berücksichtigung aller Elemente tun, die Pferde untereinander gebrauchen. Druck anzuwenden, um die eigene Macht über ein anderes Lebewesen zu demonstrieren, ist Tierquälerei und hat im Umgang mit dem Pferd wie mit jedem anderen Wesen nichts verloren!
Autor: Simone Carlson